Mord am Polterabend by Rendell

Mord am Polterabend by Rendell

Autor:Rendell
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-04-14T16:00:00+00:00


Kapitel 10

D

ie Firma nennt sich McCloy Ltd.«, sagte Burden müde, »aber das letzte Firmenmitglied dieses Namens starb vor zwanzig Jahren. Das ist ein alteingesessener Laden, aber ich glaube, der liegt jetzt in den letzten Zügen. In unserer sogenannten Überflußgesellschaft kaufen die Leute neue Sachen, die wollen doch diesen wiederaufbereiteten Schrott nicht.«

»Das können Sie noch mal sagen«, bekräftigte Wexford und mußte an Cullam denken.

»Der Yard hat mich noch auf die Spur von sechs weiteren McCloys gesetzt, alle mehr oder weniger in der Eisenwarenbranche oder deren Randgebieten tätig. Alles ordentliche Leute. Aus Stamford hab ich eine weitere Liste einheimischer McCloys, und auch von denen hat keiner Dreck am Stecken, soweit sie wissen. Aber ich fahre morgen selbst nach Stamford rüber und seh mich mal ein bißchen um. Man hat mir dort alle erforderliche Hilfe zugesagt.«

Wexford lehnte sich in seinen Drehsessel zurück, und die sinkende Sonne schien ihm ins Gesicht.

»Mike«, sagte er, »ich frag mich, ob wir nicht das Pferd am Schwanz aufzäumen. Wir suchen die ganze Zeit nach McCloy, damit er uns zu dem Mörder führt. Vielleicht sollten wir lieber erst den Mörder finden, damit der uns dann zu McCloy führt.«

»Cullam?«

»Möglich. Ich möchte, daß Martin ihn beschattet, und wenn Cullam hingeht und den Kühlschrank bar bezahlt, dann sind wir wirklich ein Stück weitergekommen. Inzwischen nehme ich mir mal Hattons Fahrtenbuch und Mrs. Hattons Telefonkalender als Hausaufgabe für heute abend mit. Aber als erstes – wie wär's denn mit einem schnellen Drink im Olive and Dove?«

»Nicht für mich, danke, Sir. Ich war seit einer Woche keinen Abend mehr zu Hause. Meine Frau hat zwar prinzipiell was gegen Scheidung, aber womöglich kommt sie noch auf die Idee einer legalen Trennung.«

Wexford lachte, und sie fuhren gemeinsam mit dem Lift nach unten. Der Abend war warm und klar, und diese Beleuchtung mit ihren langen, sanften Schatten schmeichelte der Hauptstraße eines kleinen Marktfleckens weit mehr als die helle Mittagssonne. Die alten Häuser sahen dann besonders hübsch aus, weil ihre Schäbigkeit, die Risse im Putz verwischt wurden, so wie ein alterndes Gesicht vom Kerzenlicht verklärt und geglättet wird. Bei Tageslicht waren die schmalen Seitenstraßen, die in ein reizloses Hinterland führten, Dreck- und Rattenlöcher, jetzt aber wirkten sie wie romantische Gäßchen, in denen sich unter den Straßenlaternen Liebespaare trafen, um nach Sonnenuntergang den Mond aufgehen zu sehen über den dicht aneinandergedrängten Dächern mit ihren Zinnen und Schornsteinen. Wie in einem Grimmschen Märchen.

Aber es war erst acht Uhr, und die Sonne weigerte sich zu verschwinden, ohne zuvor ihre Anbeter mit einem Feuerwerk aus rosenroten und goldenen Flammen erfreut zu haben, das den ganzen westlichen Horizont auflodern ließ. Wexford stand an der Südseite der Brücke und hörte dem Plätschern des Flusses zu. Ein unschuldiger Fluß, außer daß er ein Geheimnis hütete und einer seiner Steine einen Mann für immer um den Anblick dieses Sonnenunterganges gebracht hatte.

Alle Fenster an der Straßenseite des Olive and Dove standen offen, Gardinen blähten sich über Blumenkästen und Fuchsien, deren rote Blüten sanft hin und her schaukelten. Auf dem Vorplatz hatte sich eine Gruppe von Morris Dancers versammelt.



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